Abhandlung DOI: 10.38023/d99a6dcc-703f-432b-b126-5fc1bee034a5

Verwirkung der Verrechnungssteuerrückerstattung und EMRK-Garantien bei Beteiligungserträgen – Argumente statt Ausflüchte!

Gleichzeitig ein Plädoyer für eine Totalrevision des Verrechnungssteuerrechts

Urs R. Behnisch
Urs R. Behnisch
Rechtsgebiete:

Steuerpolitik, Einkommens- & Gewinnsteuer, Verrechnungssteuer, Nationales Steuerrecht, DBG, StHG, Direkte Steuern, Materielles Recht, (Steuer)Strafrecht

Zitiervorschlag: Urs R. Behnisch, Verwirkung der Verrechnungssteuerrückerstattung und EMRK-Garantien bei Beteiligungserträgen – Argumente statt Ausflüchte!, ASA 93 | 8 | 2024-2025

Das Bundesgericht hat in einer die Formen der Praxisänderung nicht beachtenden Rechtsprechung die Verwirkung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer erheblich ausgeweitet. Der Gesetzgeber hat diese Übertreibungen – wie bereits in anderen Bereichen des Steuerrechts – rückgängig gemacht. Allerdings ist die Übergangsnorm missglückt und muss in Übereinstimmung mit den harmonisierten Einkommenssteuererlassen ausgelegt werden.
Ebenso hat das Bundesgericht den Strafcharakter der «Defraudantensteuer» verneint, ohne sich mit der früheren, amtlich publizierten Praxis auseinanderzusetzen. Indem das Verrechnungssteuerrecht mit der Verwirkung der Rückerstattung eine Verfahrenspflichtverletzung in der Einkommenssteuerdeklaration sanktioniert, ohne auf das Verschulden der fehlbaren Steuerpflichtigen Rücksicht zu nehmen, wird das Schuldstrafrecht missachtet und es drohen zusätzlich Verletzungen des Grundsatzes ne bis in idem. Eine Überprüfung im Hinblick auf die EMRK-Garantien ist daher unerlässlich.
Schliesslich erweist sich das Verrechnungssteuerrecht als systematisch veraltet. Die der Verrechnungssteuer unterstellten Erträge sollten der Quellensteuer in den harmonisierten Einkommenssteuererlassen unterstellt werden, womit die «Defraudantensteuer» als überflüssiges Institut von selbst verschwindet und durch die Strafbestimmungen der Einkommenssteuer ersetzt wird.


Inhaltsverzeichnis

  • I. Ausgangslage
    • 1. Gegenstand der Ausführungen
    • 2. Zweck der Verrechnungssteuer
  • II. Zur Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs
    • 1. Vorbemerkungen und Grundsätze
    • 2. Zu den massgebenden Fristen (Art. 32 VStG)
    • 3. Bundesgerichtlicher Leitentscheid und nachfolgende Praxis
      • 3.1. Zu den Erwägungen des bundesgerichtlichen Leitentscheids
      • 3.2. Praxisfestlegung der ESTV mittels Kreisschreibens
    • 4. Praxisänderung des Bundesgerichts?
    • 5. Zu einigen nachfolgenden Entscheiden betreffend Verrechnungssteuerrückerstattung
    • 6. Kritische Würdigung des Kreisschreibens und der Rechtsprechung
    • 7. Zu Art. 32 VStG
      • 7.1. Einleitung und Tragweite von Art. 32 Abs. 1 VStG
      • 7.2. Zu Art. 32 Abs. 2 VStG
    • 8. Übergangsrecht (Art. 70d VStG)
  • III. Anwendbarkeit der EMRK auf «Steuersanktionen»
    • 1. Anwendbarkeit der EMRK-Garantien im Steuer(straf-)recht
      • 1.1. Art. 6 EMRK
      • 1.2. Art. 7 Abs. 1 EMRK
      • 1.3. Verbot der Doppelverfolgung und Doppelbestrafung (ne bis in idem)
    • 2. Die sog. Engel-Kriterien
    • 3. Zum Strafcharakter der «Defraudantensteuer» in der Rechtsprechung
    • 4. Zu den Konsequenzen des Strafcharakters der Verwirkung
    • 5. Strafcharakter des Verzugszinses bei der Verrechnungssteuer
    • 6. Exkurs: Strafcharakter der Verzugszinsen bei den Einkommens-/Gewinnsteuern
      • 6.1. Direkte Bundessteuer
      • 6.2. Staats- und Gemeindesteuern
    • 7. Ergebnis betr. Verzugszinse aus steuerlicher und steuerstrafrechtlicher Sicht
  • IV. Folgerungen aus verfassungs- und staatsrechtlicher Sicht
  • V. Schlussfolgerungen
    • 1. Zur Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs
    • 2. Zum Renovationsbedarf des Verrechnungssteuerrechts
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