Kreisschreiben ESTV Nr. 40 – nach dem Öffnen der Büchse der Pandora bleibt nur die Hoffnung

  • Authors: Daniel Holenstein / Julia von Ah
  • Category of article: Feature Articles
  • Field of Law: Verrechnungssteuer
  • Citation: Daniel Holenstein / Julia von Ah, Kreisschreiben ESTV Nr. 40 – nach dem Öffnen der Büchse der Pandora bleibt nur die Hoffnung, ASA 85 (2016/2017)
Nach bundesgerichtlichen «Präzisierungen» in den Jahren 2011 und 2013 zur Verwirkung des Verrechnungssteuerrückerstattungsanspruchs von natürlichen Personen publizierte die ESTV im Jahr 2014 das Kreisschreiben Nr. 40. Es bewirkt(e) eine Praxisverschärfung. Die Rechtsprechungsanalyse der Autoren und etliche Beispiele belegen dies. Die Frage drängt sich auf: Ist die Verweigerung der Rückerstattung eine Strafe? Ja, meinen die Autoren, begründen ihre Auffassung und legen die Konsequenzen dar.

Im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung ist nach Meinung der Autoren eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, welche die Rückerstattung gewährt, (i) wenn die Steuerverwaltung trotz unvollständiger Deklaration die Einkommenssteuer auf dem verrechnungssteuerbelasteten Ertrag erheben kann oder hätte erheben können, oder (ii) wenn der Steuerpflichtige die Deklaration vor Ablauf der dreijährigen Verwirkungsfrist freiwillig nachholt (Art. 32 VStG), unabhängig davon, ob die Veranlagung bereits rechtkräftig ist. (iii) Im Rahmen einer straflosen Selbstanzeige ist eine Rückerstattung auch über die Dreijahresfrist hinaus zu gewähren; es soll vermieden werden, dass eine nicht rückforderbare Verrechnungssteuer als Strafzuschlag wirkt, obwohl die Selbstanzeige straflos sein sollte.

Inhalt

  • I. Einleitung
  • II. Erhebung und Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen und Lotteriegewinnen
  • 1. Erhebung
  • 2. Rückerstattung
  • 2.1. Steuerliche Zugehörigkeit
  • 2.2. Recht zur Nutzung
  • 2.3. Verwirkung
  • 2.4. Fristgerechte Geltendmachung des Anspruchs
  • 2.5. Vorbehalt der Steuerumgehung
  • 3. Zweck der Verrechnungssteuer
  • 3.1. Einleitung
  • 3.2. Sicherungszweck
  • 3.3. Fiskalzweck
  • 3.4. Wertschriftenverzeichnis-Kontrolle
  • III. Verwirkung des Anspruchs von natürlichen Personen auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen auf beweglichem Vermögen und auf Lotteriegewinnen wegen Verletzung der Deklarationspflicht
  • 1. Historie – Kreisschreiben vom 8. Dezember 1978 und Nachtrag im Rahmen des Kreisschreibens vom 29. Dezember 1988
  • 1.1. Praxis vor und teilweise Änderung mit Erlass des Kreisschreibens vom 8. Dezember 1978
  • 1.2. Ergänzung der Praxis bei Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen im Rahmen des Kreisschreibens vom 29. Dezember 1988
  • 1.3. Zwischenfazit – vor der «Präzisierung» durch das Bundesgericht und den Erlass des Kreisschreibens ESTV Nr. 40
  • 2. «Präzisierung» durch das Bundesgericht in den Jahren 2011 und 2013 – die beiden «leading cases»
  • 2.1. Urteil vom 11. Oktober 2011
  • 2.1.1. Sachverhalt und bundesgerichtliche Ausführungen
  • 2.1.2. Würdigung
  • 2.2. Urteil vom 16. Januar 2013
  • 2.2.1. Sachverhalt und bundesgerichtliche Ausführungen
  • 2.2.2. Würdigung
  • 3. Kreisschreiben ESTV Nr. 40
  • 3.1. Überblick
  • 3.2. Würdigung
  • 4. Praxis
  • 4.1. Beispiele
  • 4.2. Exkurs: Kürzung des Rückerstattungsanspruchs der Kantone gegenüber dem Bund
  • IV. Verwaltungsrechtliche Sanktionen – Strafe?
  • 1. Verwaltungsrechtliche Sanktionen
  • 1.1. Grundsätzliches
  • 1.2. Anwendbarkeit der Verfahrensgarantien gemäss Art. 6 EMRK
  • 2. Ist die Verweigerung der Rückerstattung eine Strafe?
  • 2.1. Grundsätzliches
  • 2.2. Entscheidungen des EGMR zu Steuerzuschlägen («tax surcharges»)
  • 2.2.1. Steuerzuschläge nach französischem Recht
  • 2.2.2. Steuerzuschläge nach schwedischem Recht
  • 2.2.3. Steuerzuschläge nach finnischem Recht
  • 2.3. Klassifikation der verweigerten Rückerstattung im Lichte der Rechtsprechung des EGMR
  • V. Konsequenzen
  • 1. Schuldprinzip
  • 2. Unschuldsvermutung
  • 3. Anspruch auf persönliche Anhörung
  • 4. «ne bis in idem»
  • 5. Würdigung der aktuellen Rückerstattungspraxis
  • 5.1. Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip
  • 5.2. Persönliche Anhörung
  • 5.3. Unschuldsvermutung
  • 5.4. Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung
  • VI. Zusammenfassung und Verbesserungsvorschlag
  • 1. Die «Büchse der Pandora» ist geöffnet
  • 2. Verbesserungsvorschlag