Christoph Schaltegger /
Marc M. Winistörfer
Seit rund 100 Jahren erhebt die Bundesebene Steuern auf die Einkommen natürlicher und juristischer Personen. Die Kompetenz blieb allerdings immer eine zeitlich befristete – trotz zahlreicher Versuche zur Verstetigung. Auch in der jüngsten Vernehmlassungsvorlage zur Neuen Finanzordnung 2021 (NFO 2021) plädiert der Bundesrat für eine Entfristung der Kompetenz zur Erhebung direkter Steuern als auch der Mehrwertsteuer. Tatsächlich erscheint die prekäre Finanzierungsbasis des Bundes bei einer Staatsquote von 10 Prozent der Wirtschaftsleistung und der stetig wachsenden Aufgabenfülle zunächst als Anachronismus. Müsste die Finanzierungsbasis nicht stärker gesichert werden, um die Staatsaufgaben des Bundes zuverlässig und langfristig auszurichten? Diese Argumentation vernachlässigt, dass die Besteuerungskompetenzen nicht deshalb befristet sein sollten, weil sie als provisorisch und langfristig grundsätzlich unnötig erachtet werden müssten. Die Befristung der Finanzordnung in der Schweiz dient dazu, dass sich der Souverän in zeitlich grösseren Intervallen mit grundsätzlichen Fragen der Finanzverfassung befassen kann und damit periodisch auch ein breiter, politischer Diskurs über die grundsätzlichen Fragen der Finanzierung des Staats ermöglicht wird. Dies ist nicht (alleine) deshalb wichtig, weil andernfalls der Reformeifer erlahmen würde – wichtig ist es, weil es bei der Finanzordnung um grundsätzliche Fragen der Finanzierung und des Staatsaufbaus geht, die in der tagespolitischen Auseinandersetzung um steuerpolitische Partikularinteressen schnell in den Hintergrund gedrängt werden.
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Category of article: Feature Articles
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Field of Law: Steuerpolitik